Zeitraum
Pilotphase: 1.9.2023 bis 24.6.2024
Ladestationen in Wohnquartieren sind eine wichtige Massnahme, um Elektromobilität zu fördern. Die St.Galler Stadtwerke haben mit einem Pilotprojekt Erfahrungen gesammelt – und denken noch weiter.
St.Gallen hat grosse Ziele: Bis 2050 sollen nur noch elektrische Fahrzeuge in der Stadt unterwegs sein. Damit das gelingt, fördert sie die Elektromobilität gezielt auch in Wohnquartieren.
Seit Juni 2022 haben die St.Galler Stadtwerke (sgsw) sechs Ladepunkte an drei Standorten in Wohnquartieren realisiert. Ziel des Projekts ist der Aufbau einer Ladeinfrastruktur für all jene Personen, die zu Hause keine eigene Lademöglichkeit haben.
Bewohnerinnen und Bewohner haben an der Auswahl der Standorte mitgewirkt. Mittels Umfragen ermittelten die sgsw, in welchen Quartieren eine Nachfrage nach allgemein zugänglichen Ladepunkten besteht. Von anfänglich 31 potenziellen Standorten hielten zuletzt allerdings nur sieben dem Realitätscheck stand. «Es ist gar nicht so einfach, in Wohnquartieren geeignete Standorte für allgemein zugängliche Ladestationen zu finden», resümiert Kim Lamminger, Produktmanager bei den sgsw. «Oft fehlt der nötige Platz, oder die Installationen wären nur aufwändig umzusetzen, weil ein Verteilkasten fehlt oder weil Arbeiten auf privatem Grund nötig wären.»
Weil Laden im Quartier heute noch nicht kostendeckend möglich ist, braucht es dafür einen klaren politischen Auftrag. So können wir wichtige Erfahrungen sammeln und gemeinsam nach innovativen Modellen suchen, die in Zukunft funktionieren werden.
Seit Juni 2022 können Kundinnen und Kunden ihre Elektroautos auf den sechs Parkfeldern nun mit oder ohne Abo laden. Auf der neu eingerichteten Website finden sie einen Standortplan der Stationen, der auch die aktuelle Verfügbarkeit der Ladepunkte anzeigt.
Wer in St.Gallen lebt und deshalb von den sgsw ohnehin eine Stromrechnung erhält, kann die bezogene Ladeleistung direkt über dieselbe Rechnung abrechnen lassen. Auswärtige Kundinnen und Kunden können mit Kreditkarte bezahlen.
Die Nutzung der allgemein zugänglichen Ladestationen blieb in den zwei Pilotjahren trotz proaktiver Kommunikation gegenüber den Anwohnerinnen und Anwohnern unter den Erwartungen: Deren Auslastung betrug durchschnittlich nur 7 Prozent. Im Schnitt wurden Fahrzeuge 4.75 Stunden lang geladen. 78 Prozent der Ladungen nahmen auswärtige Lenkerinnen und Lenker in Anspruch. Also nur etwa jede fünfte Ladung haben Anwohnerinnen und Anwohner vorgenommen. Entsprechend hielt sich auch der Abo-Verkauf mit elf gelösten Abos in Grenzen. Die einmaligen Aufschaltgebühren von 270 Franken übernimmt in Zukunft die städtische Dienststelle Umwelt und Energie – die sgsw gehen deshalb von steigenden Abozahlen aus.
Für die sgsw geht die Gesamtrechnung noch nicht auf. «Ein kostendeckender Betrieb von Ladestationen in Wohnquartieren ist heutzutage noch nicht möglich», fasst Lamminger die Erfahrung des Pilots zusammen. Um die Kosten zu decken, müssten an jeder Station pro Tag zehn Autos 8 kWh laden. In der Pilotphase war es pro Station im Schnitt knapp eine Ladung jeden zweiten Tag. Das Projekt wurde durch das Front-Runner-Förderprogramm von EnergieSchweiz für Gemeinden mit rund 14'000 Franken unterstützt. Trotzdem stehen die Investitionskosten von 104'000 Franken in keinem Verhältnis zu den späteren Einnahmen, so Lamminger.
«Weil wir für den Pilot Stationen in peripheren Wohnquartieren aufgestellt haben, verwundern uns die Zahlen nicht», relativiert Lamminger. Trotzdem sei das Potenzial heute noch so klein, dass die Standorte schwierig zu betreiben seien.
Für Kim Lamminger ist dennoch klar, dass die sgsw auch in Zukunft weitere Ladestationen in Wohnquartieren umsetzen werden. «In St.Gallen gibt es einen klaren politischen Auftrag, Elektromobilität zu fördern. Dazu gehört auch ein Angebot für Laden im Quartier», so Lamminger. Dieser politische Rückhalt sei zentral. Schliesslich gehe es darum, gemeinsam Modelle zu testen, die in Zukunft funktionieren werden.
Dass sich die Grundinstallationen für zwei Parkfelder nicht lohnen, sei naheliegend. Mit mehr Stationen oder regelrechten Hubs könnte ein kostendeckender Betrieb in Zukunft eher möglich sein, überlegt Lamminger.
Auch technologisch denkt man in St.Gallen bereits einen Schritt weiter: Die sgsw prüfen ein innovatives Produkt, das derzeit in Köln zum Einsatz kommt. Dort werden Ladestationen in den Randstein integriert, funktionieren also ohne Stehle. In St.Gallen gibt es historisch bedingt viele enge Strassenräume. An vielen geeigneten Standorten konnten deshalb aus Platzgründen keine Ladestationen realisiert werden.
Gerade in der engen Innenstadt sieht Kim Lamminger für das Bordsteinladen viel Potenzial: «Indem wir zuerst die peripheren Wohngegenden erschliessen, machen wir es uns natürlich nicht einfach.» Er plädiert dafür, den Spiess umzudrehen: «Wenn wir dank platzsparenden Lösungen zuerst Ladepunkte an zentralen Lagen mit mehr Publikumsverkehr anbieten können, ist das für uns lukrativer. Und wenn dank diesem wachsenden Angebot immer mehr Autofahrerinnen und -fahrer auf Elektroautos umsteigen, werden wir mit der Zeit auch in peripheren Gebieten genügend Kundinnen und Kunden finden.»
Pilotphase: 1.9.2023 bis 24.6.2024
St.Gallen
104'000 Franken
St.Galler Stadtwerke und Stadt St.Gallen
Kim Lamminger, Produktmanager St.Galler Stadtwerke, kim.lamminger@sgsw.ch
Bildquelle: St.Galler Stadtwerke