Zeitraum
Januar bis September 2022
Die Gemeinde Twann-Tüscherz hat eine Ladeinfrastruktur mit vier Ladestationen zu je 11 kW installiert und betreibt diese in Eigenregie. Die Anlage ist erweiterbar auf bis zu acht Stationen. Mit der gewählten Lösung kann die Gemeinde den Preis pro kWh selbst festlegen und die Einnahmen aus dem Stromverkauf an den Ladestationen behalten. Die Marge deckt die Kosten für Infrastruktur, Unterhalt und Erneuerungen der Ladestationen.
Die Gemeinde Twann-Tüscherz setzte mit der Investition in zwei Ladestationen im Jahr 2015 bereits sehr früh auf Elektromobilität. Die Bilanz dieses ersten Contracting-Versuchs war allerdings durchwachsen, sowohl hinsichtlich der Betriebskosten als auch hinsichtlich der installierten Hardware. Eine neue Lösung musste her.
Im Herzen der Gemeinde Twann leben etwas mehr als 500 Menschen, dazu kommen zwei Hotels, mehrere Restaurants und etliche Winzereien. Es gibt somit einen ausgeprägten Tagestourismus. Gleichzeitig besitzen viele Einwohnerinnen und Einwohner im historischen Zentrum aus Platzgründen keinen eigenen Parkplatz. Daher war eine Lösung erforderlich, die sowohl an die Elektrofahrzeuge der Durchreisenden angepasst ist als auch an die Bedürfnisse der Bevölkerung, die mit Parkvignette der Gemeinde in der weissen Zone parkiert und zu Elektrofahrzeugen wechseln möchte.
Eine kommunale Ladeinfrastruktur in Eigenregie? Just Do it!
Wie bereits 2015 war auch im Jahr 2022 der Vorschlag der angesprochenen Contracting-Unternehmen , dass die Gemeinde die Kosten für die Erneuerung der Ladeinfrastruktur trägt. Der Contractor würde den Betrieb der Infrastruktur übernehmen und dafür so gut wie die vollen Einnahmen kassieren. Diese Lösung erschien den Gemeindebehörden als schwer zu rechtfertigen. Ausserdem stünde ein Teil der Bevölkerung angesichts solcher Bedingungen den Investitionen in eine Ladeinfrastruktur skeptisch gegenüber.
Nach einer Simulation der langfristigen Kosten und Einnahmen beschloss die Ver- und Entsorgungskommission bzw. der Gemeinderat, die Infrastruktur in Eigenregie zu entwickeln. Mit dieser Lösung kann die Gemeinde, trotz fehlender kurzfristiger Rentabilität, die Einnahmen aus dem Stromverkauf auf dem Hauptparkplatz behalten und das Projekt für die Bevölkerung gerechter, begründbarer und vertretbarer gestalten. Langfristig sollen sämtliche Kosten – auch für die Erneuerung der Anlagen – durch den Stromverkauf an den Ladestellen gedeckt werden.
Was zunächst ambitioniert schien, liess sich schliesslich einfach umsetzen: Den regionalen Partnerinnen und Partnern – Bauunternehmen, Elektrikern, Anbietenden der Ladestationen und Backoffice – gelang mit vereinten Kräften und Kompetenzen die Realisierung des Projekts innerhalb von neun Monaten. Für die Projektkoordination waren zwei Mitglieder der Ver- und Entsorgungskommission der Gemeinde sowie der beauftragte Elektriker verantwortlich (detaillierte Projektschritte in der Infobox).
Das für die Aktivierung der Ladestationen per App, RFID-Karte oder QR-Code (Direktzahlung) erforderliche Betriebssystem verwaltet auch die finanziellen Transaktionen. Die Einnahmen werden automatisch auf das Gemeindekonto überwiesen. Die Gemeindeverwaltung muss nichts weiter tun. Zudem stellt der Anbieter der Ladestationen einen sehr kostengünstigen Pikettdienst zur Verfügung.
Um der Gemeinde die Verbuchung der entstehenden Einnahmen zu ermöglichen, musste das Gemeindereglement angepasst werden. Die Preise pro kWh können seitdem im Ermessen des Gemeinderats festgelegt werden, wodurch beispielsweise eine Vorzugsbehandlung der eigenen Bevölkerung möglich wird.
Derzeit sind vier Ladestationen installiert. Dank vorverkabelter Betonsockel kann der Bestand auf acht Stationen erweitert werden. Somit sind flexible und kostengünstige Anpassungen an die Entwicklung der Elektromobilität möglich.
Nach Inbetriebnahme der Infrastruktur informierte die Gemeinde die Bevölkerung im Gemeindeblatt umfassend über das Ziel des Projekts und die Funktionsweise der Ladestationen.
Zu erwähnen ist, dass diese Ladeinfrastruktur perfekt die 60-kWp-Photovoltaikanlage ergänzt, die vor Kurzem nicht weit entfernt ebenfalls in Eigenregie durch die Gemeinde installiert wurde.
Weniger als ein Jahr nach der Errichtung der Infrastruktur stehen nicht selten bis zu vier Elektrofahrzeuge gleichzeitig an den neuen Ladestationen.
Die Gemeinde Twann-Tüscherz empfiehlt das Modell als lohnende und faire Alternative zu Contracting-Modellen. Darüber hinaus wird in 2023 der Ort Tüscherz ausgestattet und an das gleiche Backoffice angeschlossen.
Januar bis September 2022
Twann-Tüscherz (BE)
Ca. CHF 60 000, inkl. BKW Netzanschluss
Daniel Schaller Ver- und Entsorgungskommission Twann mr.schaller@gmail.com