Yverdon-les-Bains – Eine Ladestation in fünf Minuten Gehdistanz

Die Stadt Yverdon-les-Bains arbeitet ambitioniert am Ausbau eines flächendeckenden Ladenetzes. Bis 2025 werden 129 allgemein zugängliche Ladepunkte an 14 Standorten realisiert sein. Bis 2030 sollen es sogar 250 Ladepunkte werden. Möglich macht dies die städtische Strategie für Elektromobilität, ein grosser politischer Wille – und immer mehr Erfahrung bei der Realisierung und Kostenoptimierung.

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Gislain Grosjean ist Projektleiter bei Yverdon Énergies, dem städtischen Energieversorger. Er ist für den Bau von allgemein zugänglichen Ladestationen zuständig und ein vielbeschäftigter Mann. Denn Yverdon-les-Bains macht vorwärts: 87 Ladepunkte an zehn Standorten sind bereits in Betrieb. Bis 2025 kommen weitere 42 Ladepunkte hinzu. Und Gislain Grosjean und seine Kolleginnen und Kollegen arbeiten bereits am nächsten Ausbauschritt. Bis 2030 sollen 120 weitere Ladepunkte realisiert werden, so dass alle 30’200 Bewohnerinnen und Bewohner von Yverdon-les-Bains in fünf Minuten zu Fuss eine Ladestation erreichen können. Wird das ambitionierte Vorhaben gelingen? Grosjean ist zuversichtlich. «Natürlich», sagt er.

Umsichtige Planung

Yverdons grosse Elektromobilitätsoffensive begann 2015, als die Stadt ihre ersten vier Ladepunkte realisierte. 2019 hat sie die kommunale Strategie für Elektromobilität verabschiedet. Mehrere Ämter haben daran mitgewirkt, darum geniesst die Strategie breiten Rückhalt – laut Gislain Grosjean einer ihrer wichtigsten Erfolgsfaktoren. Dieser Gesamtblick bewirkt zudem eine umsichtige Planung der verschiedenen Massnahmen. «Es darf keine Fehlanreize geben», warnt Grosjean. «Wir wollen z. B. nicht, dass die Leute lieber auf öffentlichem Grund parkieren, obwohl sie eine private Lademöglichkeit haben.»

Zudem wurde schnell klar, dass die Stadt kein Schnell-Laden fördern wird. Bis auf eine Handvoll Ausnahmen in der Innenstadt sind bis heute alle allgemein zugänglichen Ladestationen Langsam-Lader mit einer Leistung von 11 kW. «Wir wollen eine Ladeinfrastruktur zur Verfügung stellen, die primär Anwohnerinnen und Anwohnern zugutekommt. Schnell-Ladestationen für Kurzzeitbesucher werden meist von privaten Anbietern gebaut. Sie sorgen für Ladespitzen und überlasten damit das Stromnetz. Wir möchten fördern, dass langfristig lieber langsam geladen wird, während man schläft oder arbeitet

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Wir bauen Ladestationen, damit die Leute ein Elektroauto kaufen und nicht, weil sie schon eines haben.
Gislain Grosjean, Yverdon Énergies

Stationen in Mischzonen werden doppelt genutzt

2020 liess die Stadt eine Studie erarbeiten, die aufzeigte, dass das grösste Potenzial für allgemein zugängliche Ladestationen in Mischzonen liegt. Das sind Zonen, in welchen gearbeitet und gewohnt wird. «Diese Stationen werden doppelt genutzt», erklärt Grosjean. «Tagsüber laden hier die Arbeitnehmenden, in der Nacht die Anwohnenden.» Yverdon-les-Bains beschloss, in diesen Gebieten mit dem Ausbau zu beginnen. Das hat sich bewährt: In den Mischzonen liegt die Auslastung der Stationen heute durchschnittlich bei 24%, an besonders guten Lagen bei 38%. Zum Vergleich: In Wohngebieten liegt die Auslastung bei nur 8%.

Grosses Potenzial erkannt

Die Studie hat das Potenzial für allgemein zugängliche Ladestationen akribisch analysiert: In Yverdon-les-Bains leben 79% der Bevölkerung in Miethäusern. Diese hatten 2020 grösstenteils noch keinen Zugang zu einer eigenen Ladestation. «Das kurzfristige Kundenpotenzial ist also sehr hoch», erklärt Grosjean. «Natürlich hoffen wir, dass es einfacher wird, auch in Miethäusern Ladestationen zu bauen, oder dass sogar irgendwann das Recht auf Laden eingeführt wird.» Sobald dies der Fall sein wird, werden nur noch Personen auf allgemein zugängliche Ladestationen angewiesen sein, die über keinen Privatparkplatz verfügen. Das sind in Yverdon-les-Bains rund 11% der Bevölkerung. Hinzu kommen weitere rund 5% ohne Lademöglichkeit am Arbeitsplatz. Da der Anteil Elektroautos insgesamt zunehmen wird, geht Grosjean trotzdem von einer langfristig gleichbleibenden Anzahl Autos aus, die auf öffentlichem Grund geladen werden.

Ladenetz ausbauen, um Nachfrage anzukurbeln

In Yverdon-les-Bains ist man deshalb überzeugt, dass das öffentliche Ladenetz ohne Zögern ausgebaut werden soll. «Wir stellen Ladeinfrastruktur zur Verfügung, damit die Leute ein Elektroauto kaufen. Wir bauen sie nicht, weil die Leute schon eines haben», sagt er. «Wenn sich die Elektromobilität durchsetzen soll, muss die Politik den ersten Schritt machen. Sonst wird nichts passieren.»

Klar ist: Dieser politische Wille hat auch ein Preisschild. Das öffentliche Laden kostet in Yverdon-les-Bains derzeit 45 Rappen pro Kilowattstunde. Damit könne man den Betrieb knapp decken. Die Investitionskosten werden mit den Einnahmen aber nicht amortisiert. «Das von Anfang an zu erwarten, wäre unrealistisch», findet Grosjean. In Yverdon-les-Bains suche man lieber nach Methoden, um die Investitionskosten weiter zu senken. Und übt sich in Geduld, denn der Blick in die Potenzialanalyse zeigt, dass sich das Blatt eines Tages wenden sollte. «Wenn die Nachfrage in Zukunft genügend stark ansteigt, wird unser Geschäftsmodell schnell funktionieren», sagt Gislain Grosjean. «Aber damit das passiert, müssen wir jetzt entschlossen vorwärts machen.»

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Kosten senken beim Bau von öffentlichen Ladestationen

Folgende Faktoren helfen Yverdon-les-Bains, die Investitionskosten für den Bau öffentlicher Ladestationen zu senken.

Wenn an einem Standort nur ein Ladepunkt installiert wird, kostet dieser 20 000 CHF. Ab rund fünf Ladepunkten pro Standort kostet ein Ladepunkt 7000 Franken, ab zwölf Ladepunkten pro Standort sinken die Kosten auf 3600 Franken pro Ladepunkt. All diese Werte gehen von 3000 Franken Subventionen pro Ladepunkt aus. In Yverdon-les-Bains werden in zentralen Gebieten immer mindestens zehn Ladepunkte pro Standort gebaut. Das Potenzial dafür reiche aus, obwohl das geplante Netz dicht ist und die Ladestationen gleichmässig aufs ganze Stadtgebiet verteilt werden, damit künftig für alle Bewohnenden eine Ladestation in 5 Minuten zu Fuss erreichbar ist. Selbst in peripheren Gebieten werden mindestens fünf Ladepunkte pro Standort gebaut.

Yverdon-les-Bains erhebt auf jede Kilowattstunde verbrauchten Stroms eine Steuer für erneuerbare Energien. Ein Teil davon fliesst in die Umsetzung der Elektromobilitätsstrategie. 3000 Franken pro Ladepunkt bzw. bis zu 50% der Investitionskosten für die allgemein zugänglichen Ladestationen finanzierte bisher der Kanton Waadt. Eine solche kantonale Subvention sei für die Umsetzung auf städtischer Ebene immens wichtig, bekräftigt Projektleiter Gislain Grosjean. Beim nächsten Ausbauschritt 2025 bis 2030 rechnet die Stadt mit einem ähnlichen Anteil – diesmal soll er aber mit Bundesgeldern über das Agglomerationsprojekt finanziert werden.

Wenn immer möglich, sollen allgemein zugängliche Ladestationen auf öffentlichem Grund realisiert werden. Erstens erleichtert dies die Abläufe und stellt eine gewisse Unabhängigkeit sicher, zweitens entfällt so potenzieller Mehraufwand für Verhandlungen mit der Eigentümerschaft.

Der Bau von Ladestationen ist in Parkhäusern immer günstiger als draussen. Das liegt an der vorhandenen Infrastruktur und einer weniger komplizierten Installation der Infrastruktur und Stromversorgung.

Um Tiefbauarbeiten zu minimieren, prüfte man in Yverdon-les-Bains anfangs, bestehende Kandelaber von Strassenlaternen für die Installation von Ladestationen zu nutzen. Meist hätte für den Stromanschluss allerdings eine separate Leitung gelegt – und die Strasse somit trotzdem aufgerissen werden müssen. Die Möglichkeit wurde deshalb verworfen. Bestehende Stromanschlüsse von öffentlichen Gebäuden wie Schulen zu nutzen, sei sinnvoller – aber das passiere in Yverdon-les-Bains selten. «Die öffentlichen Gebäude sind von den idealen Standorten oft zu weit entfernt», sagt Grosjean. Inzwischen hat die Stadt ein besseres Rezept gefunden: Sie stimmt ihre Planung auf die Instandsetzungen ab: «Wenn eine Strasse saniert wird, bauen wir dort immer auch gleich die geplante Ladestationen», erklärt Grosjean. Dazu müsse man eine langfristige Planung haben und flexibel sein. «Wir ziehen durchaus auch weniger prioritäre Standorte vor, wenn gerade eine Baustelle ansteht», sagt er. Tiefbauarbeiten zu vermindern, lohne sich immer. Sie machen 30–40% der Gesamtkosten aus.

Sobald das Bundesgesetz über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien (Mantelerlass) rechtskräftig wird, wird es möglich sein, eigenproduzierte Energie selbst zu nutzen. So können Ladestationen beispielsweise direkt durch städtische Solaranlagen gespiesen werden. «Technisch sind wir bereit», sagt Grosjean. «Wir warten nur auf die nötige Rechtsgrundlage.» Eine Analyse zeigt, dass dies die Betriebskosten um 20% senken werde.

Mit intelligenten Systemen werde man zudem künftig dynamisches Laden ermöglichen. Steht ein Fahrzeug mehrere Stunden an einer Ladestation, kann die Ladung während hohen Tarifzeiten ausgesetzt werden. Dank solcher Systeme könne dereinst auch die Netzkapazität optimal reguliert werden.

Fakten zum Projekt

Zeitraum des Projekts

2015–2025 (erster Ausbauschritt) und 2025–2030 (geplanter zweiter Ausbauschritt)

Ort / Region

Yverdon-les-Bains

Kosten und Finanzierung

Durchschnittliche Kosten pro Ladepunkt: CHF 10 000 (davon werden CHF 3000 durch den Kanton Waadt finanziert)

Involvierte Akteure

Yverdon Énergies in Zusammenarbeit mit verschiedenen städtischen Ämtern wie Polizei, Verkehrsplanung, Stadtplanung und dem Kanton Waadt

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