Wie lädt die Schweiz in Zukunft?

Welchen Mix von Ladeoptionen braucht die Schweiz in den nächsten Jahren? Bis anhin fehlte ein breit getragenes Verständnis zur Entwicklung der Ladeinfrastruktur für Personenwagen bis im Jahr 2050. Diese Studie untersuchte diese Frage mit den wichtigsten Akteurinnen und Akteuren. Die Hauptbotschaft ist klar: Alle sind aufgefordert, jetzt zu handeln.

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Damit sich die Ladeinfrastruktur der Schweiz gezielt weiterentwickeln kann, müssen zahlreiche Akteursgruppen aktiv werden. Ihre Aktivitäten müssen ineinandergreifen. Bisher fehlte dafür jedoch eine Gesamtsicht – ein breit getragenes und umsetzungsorientiertes Verständnis, wie die Ladeinfrastruktur künftig effizient und klimaschonend gestaltet werden soll. Die Studie «Verständnis Ladeinfrastruktur 2050» hat zum Ziel, dieses gemeinsame Verständnis zu schaffen.

Dabei hat das BFE keinen Masterplan entwickelt, der präzise vorgibt, wo welche Ladeinfrastruktur zu erstellen ist und nach dem alle handeln müssen. Die Studie soll vielmehr Planungswerkzeug sein und aufzeigen, wo breite Einigkeit herrscht – und wo nicht.

Umfassender Dialogprozess zur Erarbeitung der Ergebnisse

An der Studie beteiligten sich die wichtigsten Akteursgruppen aus dem Bereich Ladeinfrastruktur: 81 Personen aus 51 verschiedenen Organisationen waren in die Erarbeitung involviert. Ein strategischer Beirat mit 18 Vertreterinnen und Vertretern der national relevanten Verbände begleitete das Projekt.

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Erkenntnisse

Nahezu alle Segmente aller Fahrzeugkategorien werden bis 2050 auf den rein batterie-elektrischen Antrieb umgestellt. Der Aufbau der Ladeinfrastruktur findet schwerpunktmässig in den nächsten 10 bis 15 Jahren statt. Der Gesamtenergiebedarf kann durch die Elektrifizierung deutlich reduziert werden. Gleichzeitig nimmt der Strombedarf zu.

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Ab 2035 wird es laut Studie über 2.1 Millionen batterie-elektrische Fahrzeuge auf den Schweizer Strassen geben. Die Gesamtzahl der Personenwagen bleibt vorübergehend gleich und nimmt ab etwa 2040 leicht ab. (Die erwartete Entwicklung der Fahrleistung basiert auf dem Szenario «Basis» der ARE Verkehrsperspektiven 2050. Dieses zeigt eine Entwicklung hin zu einer ressourceneffizienten Mobilität.)

Die Elektrifizierung des motorisierten Individualverkehrs erfolgt früher und vollständiger als erwartet. Hauptgrund dafür sind verschärfte Emissionsgrenzwerte und ambitioniertere Ziele der Fahrzeughersteller. Der Strombedarf nimmt daher schneller und stärker zu als bisher angenommen. Der Batterieantrieb setzt sich auch bei leichten und schweren Nutzfahrzeugen und Bussen viel stärker durch als bisher gedacht.

Bei vielen Aspekten, wie sich die Ladeinfrastruktur weiterentwickeln wird, sind sich die Expertinnen und Experten einig, z. B., dass dank der technologischen Entwicklung höhere Ladeleistungen möglich sein werden oder wie verschiedene Typen von Nutzenden künftig laden. Einig waren sich die Studienbeteiligten auch, dass das Laden zu Hause zentral bleiben wird.

Aus heutiger Sicht gibt es vor allem zwei Bereiche, in denen eine Vorhersage der Entwicklung schwierig ist:

  1. Die Verfügbarkeit von privaten Heimladepunkten (vor allem in Mietobjekten)

  2. Die Relevanz und Rolle des allgemein zugänglichen Ladenetzes und des Ladens am Arbeitsplatz

Die Entwicklung in diesen beiden Bereichen ist besonders von den Entscheidungen diverser Agierender abhängig. Es existieren hier keine scharfen Vorgaben – somit sind aus heutiger Sicht sehr unterschiedliche Ausprägungen möglich. Besonders in diesen beiden Bereichen sind auch die Erwartungen an die Zukunft am unterschiedlichsten. Um die Bandbreite möglicher Entwicklungen aufzuzeigen, haben das BFE und EBP drei Zukunftsszenarien entwickelt (in Form von sogenannten «Ladewelten»).

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Die Ladewelt «Bequem» zeichnet sich durch einen hohen Anteil von Halterinnen und Haltern mit Steckerfahrzeugen aus, die an einem privaten Ladepunkt laden. Das allgemein zugängliche Ladenetz ist eine wichtige Ergänzung und wird stark ausgebaut.

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Die Ladewelt «Geplant» zeichnet sich durch einen geringeren Anteil von Personen aus, die an einer privaten Ladestation laden können. Das allgemein zugängliche Ladenetz ist das Rückgrat der Ladeinfrastruktur und wird sehr stark ausgebaut. Der Fokus liegt auf räumlich konzentrierter Infrastruktur mit hohen Ladeleistungen – dem Schnell-Laden.

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Die Ladewelt «Flexibel» zeichnet sich ebenfalls durch einen geringeren Anteil von Personen aus, die an einer privaten Heimladestation laden können. Die Ladeinfrastruktur wird dafür an diversen anderen Standorten sehr stark ausgebaut. Der Fokus liegt auf Infrastruktur mit tiefen Ladeleistungen. Damit entstehen räumlich verteilt sehr viele allgemein zugängliche Ladepunkte und Ladepunkte am Arbeitsplatz.

Das Werkzeug Ladebedarfsszenarien bricht den Ladebedarf der Schweiz auf einzelne Gemeinden herunter. Damit eröffnen sich neue Möglichkeiten zum Planen, Investieren und Entscheiden – und zwar auf einer datengestützten Grundlage. Das ist besonders interessant für Gemeinden, Ladenetzbetreiber, Verteilnetzbetreiber und die Immobilienwirtschaft.

Die beteiligten Akteursgruppen sind sich einig, dass ein Mix an Ladeoptionen das zukünftige Ladebedürfnis decken wird. Das Laden zu Hause bleibt dabei wichtig. Allerdings sind sie auch skeptisch, ob im Hinblick auf die rasche Entwicklung der Elektromobilität bis 2035 ausreichend private Ladepunkte zu Hause zur Verfügung stehen. Entsprechend attestierten sie dem allgemein zugänglichen Ladenetz eine sehr hohe Bedeutung.

So steigt auch die Anforderung an das allgemein zugängliche Ladenetz in den nächsten Jahren bis 2035 stark an. Mit einer allgemein zugänglichen Ladeleistung von 0.6 bis 1.3 kW pro batterie-elektrischem Fahrzeug können die Ladebedürfnisse gedeckt werden. Bei einem Bestand von 2.1 Millionen batterie-elektrischen Fahrzeugen (voraussichtlich im Jahr 2035), braucht die Schweiz total 1300 bis 2700 MW Ladeleistung an allgemein zugänglichen Ladepunkten. Ob 1300 MW ausreichen oder doch 2700 MW nötig sind, hängt davon ab, wie viele Elektrofahrzeuge zu Hause laden können.

Eine Halbierung des Anteils der Elektrofahrzeuge, die zu Hause laden, führt mindestens knapp zu einer Verdoppelung und maximal zu einer Vervierfachung der benötigten Ladepunkte im allgemein zugänglichen Ladenetz.

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Das allgemein zugängliche Ladenetz ist in den kommenden 10 bis 15 Jahren stark auszubauen. Es werden mindestens 3400 Schnell-Ladepunkte mit einer Ladeleistung von mindestens 100 kW bis 2035 benötigt. Der Anteil der Elektrofahrzeuge, die zu Hause laden können, soll maximiert werden.

Unabhängig, ob im allgemein zugänglichen Ladenetz primär Schnell-Lader oder Langsam-Lader angeboten werden, gilt die Richtgrösse von 1.1 kW allgemein zugängliche Ladeleistung pro batterie-elektrischem Fahrzeug. Bei 2.1 Millionen batterie-elektrischen Fahrzeugen im Jahr 2035 sind entsprechend 2300 MW allgemein zugängliche Ladeleistung erforderlich. 3400 bis 6200 Schnell-Ladepunkte mit einer Ladeleistung von mindestens 100 kW braucht die Schweiz bis im Jahr 2035. Alle drei Ladewelten zeigen diesen Bedarf für Schnell-Lader bis 2035. Mindestens 8000 weitere Ladepunkte mit mindestens 50 kW Ladeleistung zeigen alle drei Ladewelten. Der zukünftige Bedarf an AC-Ladepunkten variiert stark zwischen den Ladewelten, von 8000 bis 61 000.

Schlussfolgerungen:

Je nach Entwicklung sind unterschiedliche Beiträge der Stakeholder gefordert. Die involvierten Akteursgruppen waren sich aber einig: Loslegen ist wichtig, um den wichtigen Hochlauf bis 2035 nicht zu behindern.

Erfolgsfaktoren für den Aufbau der Ladeinfrastruktur sind:

  • Vertrauen schaffen – sowohl in die Technik als auch in die Stromversorgung.

  • Basisvoraussetzungen sichern – durch neue Planungsgrundlagen, Anreize und Regelungen.

  • Den Ausbau privater Ladeinfrastruktur unterstützen und die Benutzerfreundlichkeit beim Laden erhöhen.

Zum Umgang mit öffentlichem Grund sowie der Bedeutung des Ladens am Arbeitsplatz bestehen unter den involvierten Akteurinnen und Akteuren unterschiedliche Ansichten.

So bleibt zu klären, ob allgemein zugängliche Ladepunkte in der Nähe zum Wohnort nur auf privatem oder auch auf öffentlichem Grund geschaffen werden sollen (z. B. Parkplätze auf öffentlichen Plätzen oder in blauen Zonen). Hier kann jede Gemeinde bzw. Stadt eigenständig die eigene Strategie für den öffentlichen Raum entwickeln, auch in Abstimmung mit den Eigentümerinnen und Eigentümern von privaten Flächen (z. B. Einzelhandel, Gewerbe, Parkhäuser).

Fraglich ist zudem, ob Lademöglichkeiten am Arbeitsplatz oder am Zielort eventuell falsche Anreize schaffen und so zu Mehrverkehr führen.

Das Thema bidirektionales Laden ist ebenfalls weiter zu beobachten. Die involvierten Akteurinnen und Akteure sind sich des grossen Potenzials von Vehicle-to-Grid bewusst. Allerdings gehen die Meinungen auseinander, unter welchen Bedingungen das bidirektionale Laden eine Nischenanwendung bleibt oder auch bei privaten Heimladepunkten zum Standard werden könnte.

Was in jedem Fall klar ist: Das Stromnetz stellt per se kein Hindernis dar, ist aber der weitgehenden Elektrifizierung des Strassenverkehrs anzupassen. Die Herausforderung liegt vor allem in den langen Vorlaufzeiten.

Das erarbeitete Verständnis der künftigen Ladeinfrastruktur räumt viele Unsicherheiten aus. Die Ladewelten schaffen einen Optionsrahmen für die Ausgestaltung der Ladeinfrastruktur. Sie zeigen, dass in jedem Fall ein rascher Aufbau des allgemein zugänglichen Ladenetzes in den nächsten 10 bis 15 Jahren notwendig ist. Der Ausbau der privaten Ladeinfrastruktur in Wohngebäuden soll maximiert werden. Die Entwicklung bleibt jedoch sehr dynamisch. Daher braucht es weitere Vertiefungen und einen kontinuierlichen Austausch der involvierten Akteursgruppen – nicht zuletzt, um den eruierten Vertiefungsbedarf gemeinsam anzugehen. Insofern ist die Studie erst der Anfang.

Downloads: Studie «Verständnis Ladeinfrastruktur 2050» herunterladen Anhang zur Methode «Modelle und Annahmen» herunterladen Anhang «Daten und Ergebnisse» herunterladen (PDF) Anhang «Daten» herunterladen (Excel)

Herausgegeben von: Bundesamt für Energie (BFE), Sektion Mobilität

Veröffentlicht: Mai 2023

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